In Kassel Medizin studieren? Geht!
Diese enge Verbindung von Theorie und Praxis ist einer der Punkte, die das Studium so wertvoll machen, sagt KSM-Geschäftsführer Arne Werthmann. Vorab aber sei eines wichtig: Man könne zwar an der KSM und somit in Kassel Medizin studieren – aber eben nicht an der Kasseler Uni. Denn die KSM ist der Campus Kassel der renommierten englischen Universität Southampton. Eine Konstruktion, die 2013 ihre Arbeit aufnahm – und auch deshalb zustande kam, weil eine solche Verbindung aus englischem und deutschem Bildungssystem nicht vorhanden war.
Mittlerweile blickt man auf zehn erfolgreiche Jahre zurück. Die KSM hat sich zu einer kleinen, aber feinen Einrichtung entwickelt und Studierende sind bereit, in die KSM-Ausbildung zu investieren – 18.000 Euro im Jahr, so Werthmann. Verwaltungs-Chefin Sibylle Ullrich und Marion Rothbart von der Studiengangsbetreuung erklären, dass man die Gebühren über spezielle Finanzierungsprogramme beispielsweise der Kasseler Sparkasse aufbringen kann. Im Übrigen gebe es in Großbritannien nur Studiengänge mit Gebühren – da sei der Satz der KSM nicht ungewöhnlich.
Die Nachfrage ist groß: Maximal 30 Studierende werden pro Jahr aufgenommen – im Schnitt gibt es 100 bis 150 Bewerbungen. Anne Hartmann beispielsweise hatte vorher von diesem Studiengang noch nie was gehört. Sie ist Jahrgang 1999 und kommt aus der Nähe von Nürnberg. Nach dem Abitur machte sie ein Bundesfreiwilligenjahr. Während dieser Zeit entdeckte ihre Schwester die besondere Adresse in Kassel.
Anne Hartmann brachte die Voraussetzungen mit – denn ganz ohne Leistungsnachweis aus der Schule geht das Ganze nicht. Ein Schnitt von 1,6 plus Biologie und ein weiteres naturwissenschaftliches Fach mit elf Punkten sollten es schon sein. Hat man eine Ausbildung oder einen Studienabschluss in einem zum Studium passenden Beruf, dann kann man auch mit 1,9 noch den Aufnahmecheck schaffen. Wobei, so Ullrich, der persönliche Eindruck und das persönliche Gespräch während der Auswahltage besondere Bedeutung haben.
Der Ablauf sei immer gleich: Die ersten beiden Jahre geht es nach Southampton, die restlichen drei Jahre heißt es „Ab nach Kassel“. In Southampton wird nicht lange nur Theorie gepaukt: Es könne sein, sagt Werthmann, dass die Studierenden schon in den ersten Wochen beispielsweise im Kreißsaal dabei sein dürfen.
Zur Praxisnähe kommt ein weiterer Pluspunkt des KSM-Studiengangs: Die Studierenden absolvieren ein bilinguales Studium – denn auch in der Kasseler Zeit nehmen sie an Vorlesungen in Southampton zusätzlich zur Lehre in Kassel teil. Sie lernen zwei Gesundheitssysteme kennen. Auch wenn Großbritannien nicht länger Mitglied der EU ist, werden dank der vor kurzem bestätigten Gleichwertigkeit die Abschlüsse in Deutschland weiterhin anerkannt. Wer also fertig ist, kann als Ärztin oder Arzt in Deutschland, der EU und im Vereinigten Königreich inklusive Commonwealth-Staaten arbeiten, ohne eine weitere Prüfung absolvieren zu müssen. Die KSM ist also das Tor zur Ärzte-Welt – und es wird in Kassel geöffnet.
Die GNH profitiere natürlich vom Mediziner-Nachwuchs, schon während des Studiums, sagt Arne Werthmann. Nach dem Studium müssen alle ein Foundation Year absolvieren – in der Zeit arbeitet man bereits mit eingeschränkter Berufserlaubnis und erhält ein Gehalt. Nach dem Jahr sind die KSM-Absolventinnen und -Absolventen voll approbiert – und dürfen als Arzt oder Ärztin arbeiten. 30 Prozent von ihnen sind in der Region geblieben, natürlich auch in den Kliniken am Möncheberg, so Marion Rothbart. Klar, man kennt dann die Klinik und die Abläufe und man sei in der Klinik bekannt.
Wohin es Anne Hartmann zieht, weiß sie noch nicht so recht. Fachlich könnte es sein, dass es in Richtung Innere Medizin oder Kardiologie gehe. Geografisch habe sie sich noch nicht festgelegt. Irgendwann aber wieder Richtung Süden, weil ihr die Berge fehlen. Aus dem Süden selbst wird ihre Expertise jetzt schon nachgefragt: Hat jemand einen Hautausschlag in der Familie, dann gibt es ein Foto aufs Handy der Studentin und sie soll sich dazu äußern. Es sei eben von Vorteil, wenn man von Anfang an nicht nur pauken müsse, sondern in der Praxis Medizin erlebe und lebe.
Text: Horst Seidenfaden